Chronik

Jährlicher Fingerzeig auf verpatzte Integrationspolitik

© APA/Jäger

Zehn Jahre gibt es den Integrationsbericht mittlerweile und auch die neueste, am Dienstag präsentierte Ausgabe zeigt diverse Problemfelder. Vor allem mangelnden Deutschkenntnisse an Schulen und eine niedrige Erwerbsbeteiligung von Frauen sind Aufgaben, die die zuständige Ministerin Susanne Raab (ÖVP) zu bewältigen hat. Integrationsministerin Raab, die Leiterin des Expertenrates für Integration, Katharina Pabel, und Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas legten bei einer Pressekonferenz am 8. September den Integrationsbericht 2020 vor.

Beinahe 25 Prozent Ausländeranteil in Österreich

2,070.100 Ausländer lebten laut Daten der Statistik Austria zu Jahresbeginn in Österreich, was 23,7 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, Tendenz steigend. Das zeigt sich auch an den Schulen, wo beispielsweise an Wiener Haupt- und Polytechnischen Schulen bereits mehr als drei Viertel der Jugendlichen Deutsch nicht als Umgangssprache haben. Das ist für die Vorsitzende des Expertenbeirats Katharina Pabel per se noch kein Problem. Die Ergebnisse der Bildungsstandards im Integrationsbericht stellten jedoch dar, dass die Bildung noch immer eine Baustelle sei. Zwei Drittel der Kinder mit Migrationshintergrund erreichten die Bildungsstandards im Lesen nicht, das sei alarmierend.

Nicht integrierte Eltern in die Pflicht nehmen

Integrationsministerin Raab sieht hier schon gute Schritte eingeleitet, von den Deutsch-Förderklassen bis hin zur Sommerschule. Zudem müssten die Eltern stärker in die Pflicht genommen werden, meinte die Integrationsministerin und bewarb die zuletzt erstmals durchgeführten Elternkurse.

Frauen könnten mehr leisten

Speziell der Mütter will sich Raab annehmen, könnten diese doch als Integrationsmotoren dienen. Doch als Hemmnis erweist sich die vergleichsweise geringere Integration weiblicher Zuwanderer am Arbeitsmarkt. Nur 13 Prozent der Syrerinnen und elf Prozent der Afghaninnen des Zuzugjahres 2015 haben bisher einen Job gefunden. Dagegen waren 57,5 Prozent der männlichen Syrer und 38,5 Prozent der afghanischen Männer schon am Arbeitsmarkt integriert, zitiert Raab aus dem Integrationsbericht 2020.

Little Italy oder Chinatown unerwünscht

Weiteres Vorhaben Raabs ist eine stärkere Anbindung von Zugewanderten in ehrenamtlichen Funktionen. Die Ministerin glaubt, dass dadurch Kontakt mit der Mehrheitsbevölkerung entsteht und sich damit auch die Deutschkenntnisse verbessern. Derzeit würden sich in Wien schon Problemzonen ähnlich jenen der französischen Banlieus bilden und sie wolle ein Zusammenleben und nicht ein Little Italy oder Chinatown.

Bundesministerin Raab für rasche Umsetzung der Dokumentationsstelle für politischen Islam | © Land OÖ / Max Mayrhofer

Vorurteile und Verunglimpfungen

Die Leiterin des Expertenrates für Integration, Katharina Pabel, ist eine genaue Kennerin der Materie und unterstützt “das” im Prinzip. Mehr Gemeinschaftsgefühl würde auch helfen, die bei Zuwanderern weiter verbreiteten Vorurteile etwa gegen Juden, Homosexuelle und Frauen zu senken, glaubt die Vorsitzende des Expertenbeirats.

Pabel wies darauf hin, dass unter Zuwanderern Abwertungshaltungen gegenüber Frauen, anderen Religionen und Homosexuellen tendenziell häufiger vorkämen. Das lasse sich kurzfristig nicht ändern, werde das doch auch etwa innerhalb von Familien weitergegeben. Wirksamstes Gegenmittel sei eine verstärkte Interaktion von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund beispielsweise in Vereinen, um mehr Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln.

Konkrete Vorschläge dazu soll der Expertenrat ausarbeiten. Das gilt auch für den Kampf gegen Parallelgesellschaften, den die Integrationsministerin ein weiteres Mal ausrief, sieht sie doch jetzt schon Brennpunktzonen vor allem in Wien. Entschlossen bekämpft werden müsse auch die illegale Migration, hänge doch die Integration auch zu einem guten Teil von der Zahl der neu in die Gesellschaft Kommenden ab.

Wie stets auf der türkisen Agenda ist auch der Kampf gegen weitere illegale Zuwanderung. Raab argumentierte dies am Dienstag unter anderem mit dem vertrauten Argument, dass die Möglichkeit der Integration auch stark mit der Zahl der Zuwandernden zusammenhänge.

Kein Problem mit Little Germany

Dass es hier auch durch internationale Krisen bedingt in den vergangenen Jahren eine starke Bewegung gegeben hat, lässt sich unschwer aus den heute präsentierten Zahlen ableiten. So hat sich etwa die Zuwanderung aus dem Bürgerkriegsland Syrien im vergangenen Jahrzehnt um 3.430 Prozent gesteigert, aber auch jene aus den EU-Erweiterungsländern ist stark gewachsen, beispielsweise aus Ungarn um 275 Prozent. Größte Ausländergruppe in Österreich bleiben aber mit Abstand die Deutschen.

Verhaltene Reaktionen auf Integrationsbericht

Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem Bericht empfahl die Grüne Integrationssprecherin Faika El-Nagashi. Es gelte für die Politik dringend einen Kurswechsel zu vollziehen und Chancengerechtigkeit und Partizipation ins Zentrum der Integrationspolitik zu stellen. So seien 30,1 Prozent der in Wien lebenden Personen im wahlberechtigten Alter aufgrund ihrer Staatsbürgerschaft von der Wahl ausgeschlossen.

SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz meinte, die Aufgabe Raabs wäre es, Menschen mit Migrationsbiografie bei der Integration zu unterstützen und etwa für höhere Löhne und gegen prekäre Beschäftigung aufzutreten, sich am Wohnungsmarkt für niedrigere Mieten einzusetzen und im Schulsystem für gemeinsame Lernräume einzutreten statt die Kinder zu trennen.

(APA/red)

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