Chronik

Masken im Nationalrat als modisches Statement

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© Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht. Während einige Wirtschaftszweige bereits das Licht am Ende des Tunnels erkennen, wissen viele Kulturbetriebe immer noch nicht, wie es konkret weitergehen soll. Dabei gaben Vizekanzler Werner Kogler und Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (beide Grüne) erst vergangene Woche den Sachverhalt und die weiteren Pläne der Regierung für Kulturveranstaltungen bei einer Pressekonferenz bekannt: mit 1. Juni können professionelle Theaterhäuser ihren Probenbetrieb unter Schutzvorkehrungen wieder aufnehmen, bis 31. August wird es in Österreich nur einzelne ausgesuchte Events geben, um Mitte Mai wird bekannt gegeben werden, was im Sommer alles möglich sein kann.
Für professionell geführte Theater kämen Aufführungen mit Schutzmasken nicht in Betracht, dafür zeigten Parlamentarier während der 24. Sitzung des Nationalrates, wie es sich mit Maske gut leben und arbeiten lässt.

Sozialminister Rudolf Anschober mit Schutzmaske bei der Nationalratssitzung am 22.04.2020 | © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

Die Regierungsspitze hat am Mittwoch, 22. April im Nationalrat die bisherige Bewältigung der Coronakrise in Österreich gewürdigt und damit das Wiederhochfahren von Wirtschaft und Schulen begründet. Werner Kogler (Grüne) forderte für die Zeit nach der Krise mehr Lohngerechtigkeit für jene ein, die sich gerade jetzt als besonders wichtig erwiesen hätten. Für Kogler ist auch klar, dass es nötig werde, sich aus der Krise herauszuinvestieren. Da müssen man sich fragen, wo private und öffentliche Investitionen hingelenkt werden – und da sei es unverändert erforderlich, dass Arbeit, Wirtschaft und Umwelt gemeinsam gedacht werden. Dass alle jetzt verkündeten Zeitpläne auch eingehalten werden können, wollte Kogler nicht versichern. Schließlich wäre eine zweite Welle zwar psychologisch fatal, auszuschließen sei sie deshalb aber nicht: “Nicht alles ist prognostizierbar”. Genauere Prognosen erhoffen sich die Kulturbetriebe dennoch so rasch es geht. Ohne Planung wird kein anspruchsvolles Programm möglich sein.

Kulturbetriebe fordern Klarheit

Mit einem eindringlichen Appell hat sich die heimische Kulturszene am Mittwoch an die Politik gewandt. In einem offenen Brief, der bisher u.a. von Karl-Markus Gauß, Karl Markovics, Renate Welsh oder Marlene Streeruwitz unterzeichnet wurde, werden konkrete Forderungen wie etwa “realistische Vorgaben und Bedingungen mit fixen Datumsangaben” zur Wiederaufnahme des Kulturbetriebs gestellt.

“Statt Akzente zu setzen, die der jetzigen Situation angemessen sind”, reagiere die Politik “mit vagen Ankündigungen und Vertröstungen auf spätere Zeitpunkte und verlässt sich darauf, dass Kunst, Kultur und der Sport sich selber helfen und wenn und wo nicht, dass soziale Unterstützungsmaßnahmen greifen, die vorne und hinten nicht genügen”, heißt es in dem Brief, den neben IG Autorinnen Autoren-Geschäftsführer Gerhard Ruiss etwa der Unternehmensberater Clemens Feigel, der Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer und die Historikerin Ursula Prutsch initiiert haben.

Kultur will Dialog mit Regierung

Neben “realistischen Vorgaben” werden u.a. “temporäre Soforthilfen in allen Bereichen, in denen Weiterarbeit möglich ist” gefordert. Zu den weiteren Punkten zählen ein kostenloser Rechtsbeistand für Personen und Einrichtungen, die von Ausfallshaftungen bedroht sind oder ein “ständiger direkter Austausch mit allen Interessenvertretungen der Betroffenen in Videokonferenzen” und eine “enge Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und Gemeinden sowie der Regierung mit der Opposition”.

Masken im Nationalrat

Bei der 24. Sitzung des Nationalrates in der 27. Gesetzgebungsperiode mit erweitertem Sitzabstand trugen die meisten Abgeordneten und Regierungsmitglieder eine Maske. Die Politikerinnen und Politiker verzichteten dabei durchwegs auf genormte Schutzmasken. Bunte Stoffe, die auch für Kleidung und Stofftaschentücher benützt werden. Mit Gummiband um Mund und Nase gebunden, sorgten sie für ein farbenfrohes Bild im Nationalrat. Auf politische Statements oder Werbebotschaften wurde verzichtet, die eigene Persönlichkeit zur Geltung gebracht. Den meisten Damen und Herren stand ihr ausgeprägtes Modebewusstsein gut zu Gesicht.

Nationalratsabgeordnete Julia Herr mit Schutzmaske bei der Nationalratssitzung am 22.04.2020 | © Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

shaped eyebrows

Meinung: Das Thema der Aktuellen Stunde lautete: “Wer nichts weiß, muss alles glauben. Transparenz und Information jetzt, Herr Bundeskanzler!” Die Situation scheint tatsächlich zu ernst, um solch einen Titel zu wählen. Das Tragen von Modemasken im Nationalrat, die minimalen Schutz vor Viren bieten, zeigt den Ernst der Lage genauso wenig. Die Kriseninszenierung wirkte wie ein bunter Faschingsball. Statt getanzt wurde gezankt. Die schönsten Masken Wiens in der Hofburg standen nicht zur Wahl. Ob sich die Kulturszene damit begnügen möchte, kreative “Volkswear” für Individualisten zu designen, um sie in einem Webshop zu verkaufen und in einem Lied zu besingen, scheint zumindest für die Hochkultur ausgeschlossen. Viele ernste Künstler können im digitalen Vertrieb ihr Talent nicht zu Schau stellen. Sie müssten sich mit Videoartisten und Influencern messen, die Meister der Selbstinszenierung auf kleinen Bildschirmen sind. Ohne Live-Events auf großen Bühnen, ohne Live-Publikum ist ihre Kunst am Ende. On demand benötigt keine echten Kulissen, keine echten Theater und keine echten Talente. Es wäre tatsächlich höchste Zeit, angemessene Akzente zu setzen.

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Veröffentlicht von
Redaktion

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