Österreichischer Werberat bestellt neuen Ethik-Senat

Sollten sich als Konsumenten durch eine Werbemaßnahme belästigt, verletzt oder irregeführt fühlen, können sie sich an den Österreichischen Werberat wenden und eine Beschwerde vorbringen. Die allermeisten Fälle betreffen Darstellungen von leicht bekleidete Frauen oder Äußerungen auf Werbeträgern, die eine sexuelle Anspielung beinhalten, die für Frauen als diskriminierend erachtet werden. Irreführende Werbung, verheißungsvolle Werbung oder schlechte Werbung fällt nicht in den Aufgabenbereich des Werberats, wobei eine massive “Irreführung” sehr wohl beanstandet werden kann. Bei unklaren Fällen entscheidet der Ethik-Senat.

Österreichischer Werberat beschäftigt sich mit Beschwerden

“Katjes”-Werbung an der Fassade eines Wohnhauses im Juni 2020 mag manchen geschmacklos erscheinen, ist aber definitiv kein Fall für den Werberat

Kein Grund zum Einschreiten

Sieht man sich jene Fälle an, die heuer zu einer Beschwerde geführt haben, wurde lediglich in 11 Fällen eine Aufforderung zum sofortigen Stopp der Kampagne bzw. ein sofortiger Sujetwechsel angeordnet (nicht verbindlich). Ein geharnischter Brief führte im Jahr 2020 bislang in 35 Beschwerdefällen zu einer freiwilligen Sujetrücknahme – ohne viel Staub aufzuwirbeln – durch das Medium bzw. von dessen Auftraggeber.

Werberat kann überstimmt werden

Wird man vom Werberat sprichwörtlich ertappt, ist die Milch ohnehin schon vergossen. Einen veritablen Streit riskieren die wenigsten Unternehmen und wiederholen die Werbeschaltung eben kein zweites Mal. Dennoch soll es vorkommen, dass Einspruch gegen die Entscheidung des Werberats erhoben wird. Dann kommt der Ethik-Senat ins Spiel. Eine breite Debatte löste im Vorjahr ein Werbesujet des Skigebiets Axamer Lizum aus. Für zwei Tiroler Grünen-Politikerinnen war die Kampagne “Sexismus in Reinform“. Der Werberat gab den Beschwerdeführern recht, der Ethik-Senat hob die Entscheidung nachher auf. Eine erotische Anspielung ist nicht gleichbedeutend mit einer Reduktion einer Person auf ihre Geschlechtsmerkmale, lautete die Begründung des Ethik-Senats.

Axamer Lizum hatte mit Einspruch beim Ethik-Senat Erfolg

Axamer Lizum hatte mit Einspruch beim Ethik-Senat Erfolg

Ethik-Senat spricht Machtwort

Damit sich eine Armada an Juristen und Branchenvertretern auch weiterhin sorgsam um solche Fälle kümmern kann, kommen alle paar Jahre neue Persönlichkeiten an die Spitze des Vereins. Darin sind namhafte Big Player der heimischen Medienlandschaft und Netzwerkagenturen vertreten. Die Wirtschaftskammer tritt als Goldsponsor auf. Der Österreichische Werberat (ÖWR), das selbsternannte Selbstkontrollorgan der Werbebranche, hat in einer Generalversammlung den als Berufungsinstanz fungierenden Ethik-Senat neu bestellt. Die Mitglieder wurden auf die Dauer von drei Jahren eingesetzt.

Selbstkontrollorgan des ÖWR

Als Mitglieder des Ethik-Senats, der seine Entscheidungen mit Zwei-Drittel-Mehrheit trifft, konnten Bernadette Kamleitner, Institutsvorständin Marketing and Consumer Research an der WU-Wien sowie die Rechtsanwälte und Juristen Paul Pichler, Klaus Kassai, Markus Boesch, Gerald Ganzger und Ernst Klicka gewonnen werden. Der neu gewählte Ethik-Senat ist ab sofort aktiv.

“Der Ethik-Senat stellt in unserem System zur Beschwerdebearbeitung eine Berufungsinstanz dar und ist ein wichtiges Qualitätskriterium”, so ÖWR-Präsident Michael Straberger. Als unabhängiger Berufungssenat ist er für die Überprüfung der Urteilssprüche des ÖWR zuständig. Wird also ein Unternehmen durch eine Entscheidung der Werberäte aufgefordert, seine Werbemaßnahme einzustellen (“Stopp-Entscheidung des Werberates”), kann es gegen diese Entscheidung Einspruch erheben. Dieser Einspruch muss innerhalb von drei Werktagen vom Ethik-Senat bearbeitet werden.

(APA/red)