Die Vorstellung des künftigen Erzbischofs von Wien

Als der Vatikan am Freitagmittag die Ernennung Josef Grünwidls zum Erzbischof von Wien veröffentlichte, war ein langes Kapitel der Ungewissheit für die Erzdiözese Wien beendet. Seit Monaten galt er als Favorit, seit Wochen als designierter Nachfolger. Doch die formelle Bestätigung ließ auf sich warten – und damit auch die ersehnte Klarheit darüber, wer die Nachfolge des über zwei Jahrzehnte prägenden Kardinals Christoph Schönborn antreten würde. Dass es so lange dauerte, hatte, wie Grünwidl in seiner Videobotschaft selbst anmerkte, „auch ein bisschen mit mir zu tun“. Ein Satz, der wie beiläufig dahingesagt war und doch viel über ihn verrät: ein Mann, der nachdenkt, bevor er entscheidet – und einer, der nicht warten will, sein Amt auszuüben.

Papst Leo hat nun die ersehnte Unterschrift geleistet. Und Josef Grünwidl ließ keinen Zweifel daran, dass er bereit ist. Binnen Stunden folgten die Videobotschaft, Mitteilungen an die Medien und die Pressekonferenz gemeinsam mit Christoph Schönborn. Der Ablauf war auf Tempo ausgelegt – ein Amtsantritt im Stil eines modernen Managementwechsels. Während der emeritierte Kardinal Schönborn erleichtert erklärte, die Erzdiözese sei „in guten Händen“, präsentierte sich der künftige Erzbischof als jemand, der seine Aufgabe mit klarem Blick auf Strukturen, Zuständigkeiten und Abläufe angeht.

Bevor er an die Spitze der Erzdiözese rückte, führte Josef Grünwidl jahrzehntelang ein stilles, aber konsequentes Kirchenleben. Geboren 1963 im niederösterreichischen Hollabrunn, wirkte er viele Jahre als Pfarrer in ländlichen Gemeinden im Süden Niederösterreichs – in Kirchberg am Wechsel, Feistritz, St. Corona und Trattenbach, später in Perchtoldsdorf. Seine Laufbahn führte ihn von der Jugendseelsorge über das Amt des Bischofsvikars bis an die Diözesanspitze, wo er seit Anfang 2025 als Apostolischer Administrator tätig war. Theologisch ausgebildet an der Universität Wien und musikalisch geprägt als Organist, gilt er als bodenständiger Seelsorger mit organisatorischem Geschick. Wer ihn kennt, beschreibt ihn als ruhig, verbindlich und in der kirchlichen Basis verankert – ein Mann, der zuhört, bevor er handelt.

Josef Grünwidl bei einer Predigt | © Erzdiözese Wien/Stephan Schönlaub

Erwartung und Erklärung

Das Video, das Josef Grünwidl am Vormittag veröffentlichte, markierte den eigentlichen Beginn seiner öffentlichen Rolle. Seine ersten Worte – „Das Warten hat ein Ende“ – setzten den Ton. Er sprach nicht im vertrauten Duktus kirchlicher Verkündigung, sondern in der Sprache eines Administrators, der eine Entscheidung mitteilt. Die „Entscheidung aus Rom“, wie er sie nannte, wirkte längst überfällig. Seine Wortwahl ließ keine emotionale Verbindung zum Heiligen Vater erkennen.

Der zukünftige Erzbischof blieb in diesem Video durchgängig pragmatisch. Grünwidl sprach von Aufgaben, Bereichen, Begegnungen, von Zusammenarbeit und Verantwortung. Die Ansprache war keine Verkündigung, sondern eine Ankündigung. Theologische Bezüge traten spät und zurückhaltend auf. „Gott braucht mich nicht perfekt, sondern er will mich verfügbar“, sagte er. Es blieb die einzige Passage, in der er das Verhältnis zu Gott direkt benannte.

Ein Manager im Talar?

Dass Grünwidl in dieser ersten Ansprache die Kirche als „spirituellen Nahversorger“ beschrieb, passt in dieses Bild. Es zeigt ihn modern, anschlussfähig, volksnah – und doch bleibt ein Beigeschmack. Eine Kirche, die als „Nahversorger“ agiert, ist ein Dienstleister, kein Mysterienspiel. So spricht Grünwidl die Sprache einer Institution, die an die Macht des Himmels keine Ansprüche stellt.

In dieser Nüchternheit liegt Stärke und Schwäche zugleich. Stärke, weil sie Authentizität signalisiert – hier steht ein Praktiker, der die Kirche strukturell reformieren will. Schwäche, weil sie den spirituellen Ton vermissen lässt, den man von einem Erzbischof der katholischen Kirche erwartet. Bisher hat er beschrieben, was er tun will – nicht, wozu er berufen ist.

Die Hoffnung

Gleichwohl verdient Grünwidl eine differenzierte Betrachtung. Sollte Rom den „Wiener Weg“ bremsen wollen, kann er mit Pragmatismus überzeugen. Dann wird er seine Positionen – etwa zum Zölibat, den er als „freie Entscheidung“ versteht – mit stoischer Konsequenz vertreten.

Den Beistand Gottes hat Grünwidl. Doch das Spirituelle blieb bei seinem ersten Auftritt hinter dem Strategischen zurück. Seine Vorstellung zeigte weniger den geistlichen Erzpriester als den sachorientierten Kirchenverwalter.

Die Weihe steht noch aus. Dann wird seine Berufung nicht nur bestätigt, sondern auch geistlich verankert. Erst mit ihr verbindet sich das Amt mit der Sendung. Dann wird er den sanften Druck jener Hand spüren, die ihn führt.

(red)

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