Helmut Lang im MAK: Die Abwesenheit des Meisters
Das MAK widmet Helmut Lang eine Ausstellung, die seinen Einfluss auf Mode, Kunst und visuelle Kultur in einer bislang nicht gezeigten Breite nachvollziehbar macht. Helmut Lang. Séance de Travail 1986–2005 versteht sich als Betrachtung eines Werks, das über zwei Jahrzehnte hinweg internationale Maßstäbe setzte – und dessen Schöpfer sich gleichzeitig zunehmend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Die Präsentation, die auf Langs umfassender Schenkung an das MAK basiert, rückt die formale Strenge seines Designs ebenso in den Vordergrund wie die kuratorische Entscheidung, die Person hinter dem Werk bewusst im Hintergrund zu belassen.

MAK Ausstellungsansicht, 2025 / Kapitel SÉANCE DE TRAVAIL | © kunst-dokumentation.com/MAK
Architektur statt Aura
Die MAK-Schau folgt Langs eigener Begrifflichkeit der Séance de Travail – einer Arbeitssitzung, die er seit Ende der 1980er-Jahre anstelle klassischer Laufstegshows entwickelte. Die Ausstellung präsentiert sein Werk medienübergreifend, mit raumgreifenden Installationen, rekonstruierten Gestaltungselementen seiner Flagship Stores und großformatigen Videoarbeiten. Die Präsentation zeigt Lang als Grenzgänger zwischen Mode, Kunst, Identität und Kommunikation. Weniger als biografische Figur denn als konzeptuelle Instanz. Kuratorin Marlies Wirth spricht von einem „intuitiven Zugang“ zum kreativen Prozess Langs.

MAK Ausstellungsansicht, 2025 / Kapitel BACKSTAGE
Archiv einer Ära
Das Helmut Lang Archiv ist seit 2011 Teil des Museums und mit über 10.000 Datensätzen das weltweit umfassendste öffentlich zugängliche Lang-Archiv. Die Schau öffnet erstmals Materialien, die bislang nicht öffentlich gezeigt wurden, darunter vollständige Videodokumentationen der Séance de Travail-Shows sowie seltene Accessoires, Prototypen und Lookbooks.

Helmut Lang, Videostill, Helmut Lang Collection Hommes Femmes Séance de Travail Défilé # Hiver 98/99 (1998). | © MAK Helmut Lang Archiv. Courtesy of hl-art
Der Ausstellung gelingt damit eine präzise Rekonstruktion jener Jahre, in denen Lang die Codes internationaler Mode neu schrieb: vom Wiener Atelier über Paris und New York bis zu jenen strengen, dekonstruierten Silhouetten, die längst in das kollektive Bildgedächtnis eingegangen sind. Hier entsteht kein Raum für Nostalgie und keine Fundgrube für Fashionistas. Langs Werk erweitert vielmehr die Perspektive: Es zeigt sich als System, als Verdichtung eines Denkens, das kulturelle und ästhetische Paradigmen verschob und weit über den Rahmen der Mode hinausweist.
Helmut Lang heute
Ein Blick auf die Biografie des Designers zeigt eine Linie, die ebenso konsequent wie abrupt verläuft. Helmut Lang, 1956 in Wien geboren, etablierte sich in den 1980er- und 1990er-Jahren als eine der prägendsten Figuren der internationalen Mode. 1998 verlagerte er seinen Firmensitz nach New York – ein Schritt, der seine globale Rolle festigte, aber zugleich den Übergang in eine Phase markierte, in der wirtschaftliche Entscheidungen stärker in sein kreatives Umfeld eingriffen.

Helmut Lang, Probedruck einer Werbeanzeige für die Zeitschrift Art in America
2004 verkaufte Lang sein Label an Prada; die Kontrolle über die Marke, die weiterhin seinen Namen trug, verringerte sich schrittweise. 2005 zog er die Konsequenz: Er verließ das Unternehmen vollständig, gab seine Namensrechte ab und beendete seine Tätigkeit in der Mode mit einer Endgültigkeit, die bis heute bemerkenswert bleibt.
Seither lebt Lang zurückgezogen in Long Island und arbeitet ausschließlich als bildender Künstler. Seine skulpturalen Arbeiten erscheinen vielen wie eine Fortsetzung jener Strenge, die seine Mode geprägt hat. Eine ausführliche öffentliche Erklärung zu seinem Rückzug hat er nie abgegeben. Dieser Verzicht auf Deutung hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich um seine Person ein stiller Mythos gebildet hat.

MAK Ausstellungsansicht, 2025 / Kapitel BACKSTAGE
Wen die Ausstellung nicht zeigt
Der kuratorische Zugriff folgt einer klaren Linie: Lang ist kein Protagonist dieser Schau, sondern deren Strukturgeber. Seine Kleidung, Accessoires, Fotografien, die legendären Taxi-Tops mit Mapplethorpe-Motiven, die Videodokumentationen der Séance de Travail – all das steht im Dienst einer ästhetischen Programmatik.

Excerpts from the MAK Helmut Lang Archive
MAK Ausstellungshalle
Wer jedoch die Nähe zur Person sucht – zu jener öffentlichen Figur, die in den 1990er-Jahren als kühlster und präzisester Kopf der Mode galt –, findet nur Andeutungen. Die Ausstellung interessiert sich nicht dafür, wer Lang ist; sie schreibt sein Werk fort. Sie zeigt, wie er arbeitete, was davon ikonisch wurde und bis heute seinen Namen trägt.

MAK Ausstellungsansicht, 2025 / Kapitel MEDIEN & KULTURELLE PRÄSENZ
Der Verschollene
Helmut Lang kam nicht zur Eröffnung. Das überraschte letztlich niemanden. Die Ausstellung kommt ohne ihn aus. Vielleicht ist es genau diese Leerstelle, die Langs heutigen Status definiert: ein lebender Künstler, dessen Abwesenheit in der Öffentlichkeit selbstverständlich geworden ist. Ein Schöpfer, dessen Handschrift die Räume prägt, während seine physische Präsenz zurückgetreten ist. Die MAK-Schau zeigt das Werk Helmut Langs mit monumentaler Klarheit. Dass der Mensch dahinter gewissermaßen verschollen ist, scheint Teil des Konzepts zu sein.

Porträt Helmut Lang, Fotografie von Elfie Semotan, 1994. | © MAK Helmut Lang Archiv
Ausstellung: HELMUT LANG. SÉANCE DE TRAVAIL 1986–2005
Ort: MAK – Museum für angewandte Kunst, Stubenring 5, 1010 Wien
Dauer: 10. Dezember 2025 bis 3. Mai 2026
Öffnungszeiten:
– Dienstag 10–21 Uhr
– Mittwoch bis Sonntag 10–18 Uhr
Eintritt:
– €16,50 / €15,50 (regulär)
– Ermäßigt €13,50 / €12,50
– Dienstag 18–21 Uhr: €8 / €7,50
– Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren
Weitere Informationen unter: mak.at
(red)


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