Vor-Getöse um Pflegereform in Richtung Finanzminister

Nach einer Tour durch die Bundesländer hat Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Montag den offiziellen Startschuss für eine "umfassende Pflegereform" erteilt. Bis zum Jänner sollen die "inhaltlichen Fixpunkte" auf dem Tisch liegen. 2021 sei dann das Jahr der Umsetzung, die in Etappen folgen soll. Ob es im kommenden Budget mehr Geld für den Bereich Pflege geben wird, wollte Anschober nicht verraten. Kritik kam von der FPÖ. Die SPÖ verwies auf ihr eigenes Paket.

Anschober wartet auf Blümel

Er wolle der für Mitte Oktober geplanten Budgetrede von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) nicht vorgreifen, erklärte Anschober bei einer Pressekonferenz am Montag. Klar sei aber, "dass wir künftig mehr Geld in die Hand nehmen müssen, anders wird es nicht gehen". Gegenwärtig befinde sich Österreich bei den Pflegeausgaben im europäischen Vergleich im unteren Drittel. Eine Taskforce-Gruppe werde sich daher etwa mit den Finanzströmen im Bereich Pflege auseinandersetzten und diese entflechten müssen, glaubt Anschober. "Wir haben uns viel vorgenommen, aus meiner persönlichen Sicht wird es nicht ohne Neuordnung der Finanzflüsse gehen", so Anschober mit Blick auf die unterschiedliche Finanzierung in den Ländern. Die Pflegereform soll gleichzeitig die Finanzkompetenzen neu ordnen und dem Gesundheitsminister mehr Gestaltungsspielraum geben.

200 Gesprächsrunden

Überhaupt gebe es in Österreich regional sehr unterschiedlich ausgeprägte Standards, nicht nur was die Finanzierung betrifft. Ziel sei, einen einheitlicheren Rahmen zu schaffen. Das soll aber in Konsens und "gemeinsamer Verantwortung" mit den Ländern und Gemeinden geschehen. Überhaupt will Anschober keine Pflegereform "über die Kopfe der Betroffenen" hinweg, sondern vielmehr auf deren Know-how aufbauen. Daher habe man bereits im vergangenen Jänner eine Dialogtour gestartet, mittlerweile sechs Bundesländer besucht und weit über 200 Gesprächsrunden absolviert. Zudem habe man im Sommer eine digitale Informationstour mit einer Online-Befragung gestartet, an der sich über 3.000 Personen - teils Mitarbeiter, pflegende Angehörige oder Betroffene - mittels Fragebogen eingebracht haben. Diese habe ein recht einheitliches Bild über den Status quo und die Reformnotwendigkeiten gezeigt.

Länderkompetenzen wieder im Visier

Die stv. Leiterin des WIFO, Ulrike Famira-Mühlberger, Steuerungsgruppen-Mitglied der Task Force Pflege, konstatierte, dass es unterschiedliche Bedingungen in den Bundesländern gebe, die weder "rational erklärbar" noch ökonomisch sinnvoll seien. Überhaupt existiere eine Vielzahl an Finanzströmen und die Finanzierungsstrukturen seien "äußerst komplex". Hier brauche es eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, "am besten eine Finanzierung aus einer Hand", so die Expertin.

Gesundheit braucht Personal

Auch die Rekrutierung von ausreichend Personal werde künftig eine "große Herausforderung" sein. Schätzung gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2030 zusätzlich 76.000 Vollzeitäquivalente in diesem Bereich brauchen werden wird. Anschober rechnet wegen der Teilzeitlastigkeit in diesem Berufsfeld mit einem Bedarf an 100.000 zusätzlichen Pflegekräften. Famira-Mühlberger betonte, dass es in diesem Zusammenhang "neue Wege" brauchen werden. Etwa werde die klassische, schulische Ausbildung künftig nicht mehr reichen. Neueinsteiger oder Umschulungsteilnehmer bräuchten finanzielle Unterstützung, damit diese ihre Unterhaltskosten bewerkstelligen können. Auch werde der Bedarf nicht allein mit heimischen Arbeitskräften zu decken sein, meinte die Expertin.

Einladung zum Mitreden

Anschober kündigte für den 20. Oktober eine erste große Veranstaltung an, in der alle eingeladen sind mitzureden. Bis Anfang des kommenden Jahres soll dann der Prozess abgeschlossen sein. Im
Februar 2020 will der Gesundheitsminister dann in die Umsetzung gehen, "um ein Pflegesystem aus einem Guss zu realisieren". Das Programm sei "sehr ambitioniert", so Anschober, der sich aber sehr viel davon verspricht.

Finanzierung aus einer Hand

Die SPÖ verwies auf ihr eigenes Paket. Dieses liege "seit Jahren" vor, so SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec freute sich über den Startschuss und forderte abermals eine Finanzierung aus einer Hand.

Kritik kam von der FPÖ, die "eine Nullnummer" ortete. So vermisste FPÖ-Chef Norbert Hofer konkrete Maßnahmen. Anschober habe ein Dreivierteljahr gebraucht, "um festzustellen, dass das Pflegesystem und dessen Finanzierung äußerst komplex sind".

Volkshilfe und Hilfswerk begrüßten den Fahrplan. Für Ewald Sacher, Präsident der Volkshilfe Österreich, habe dieser das Potenzial, eine "wichtige Weichenstellungen" für ein zukunftsfittes Pflege- und Betreuungssystem zu sein. Sacher zeigte sich erfreut darüber, dass die Stimmen der beteiligten Organisationen, der Betroffenen und ihrer Angehörigen gehört werden sollen. Ähnlich der Präsident des Hilfswerk Österreich, Othmar Karas: "Österreich braucht eine echte Reform in der Pflege, keine Kosmetik und kein Flickwerk, sondern einen großen Wurf, der unser System angesichts der Herausforderungen zukunftsfähig aufstellt."

(APA/red)