Soziale Geschäftsidee WIRKT ein wenig verdächtig

Ein Business-Modell, in dem jeder Kunde so viel zahlt, wie er kann, klingt total sozial. Aber auch logisch, wenn eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung dahinter steht. Die “wirkt. social innovation GmbH” hat durchwegs soziale oder gemeinnützige Ziele als Zweck ihres Unternehmens angeführt und bietet entsprechende Dienstleistungen an. Das Geschäftsmodell beruht vordergründig auf Coaching- und Vermittlungsdienste für den Bildungs- und Arbeitsmarkt. Zu den Kunden von WIRKT. zählen sowohl Vermittler als auch Empfänger wissensbasierter Informationen. Eines ihrer Angebote nennt sich “Learning Circle” und zielt auf Schüler der Unterstufe ab. Die Lern- und Coachingbegleitung eignet sich auch als Weihnachtsgeschenk und klingt verdächtig gut.

Teil des Teams rund um das Geschäftsmodell "Learning Circle" von wirkt.

Inaar Gusmirovicova, Nina Poxleitner, Lisa Duschek, Lisa-Maria Sommer-Fein, Therese Werl und Julian Richter von der Social Business Plattform wirkt. sind Teil des Teams rund um das Geschäftsmodell “Learning Circle”. | © Julian Rott

Coaching für die UNTERSTUFE

Einen Kundenstock zu bedienen, das kein Einkommen hat und sich nichts leisten kann, ist eine harte Nuss für jedes Unternehmen. Aber genau darauf haben sich die Damen und Herren von WIRKT. spezialisiert. Impact Ventures nennt man das. Der “Learning Circle” ist eines von gegenwärtig vier Unternehmungen der Dachmarke. Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund werden in zumindest drei Programmen explizit bedient. Das Geschäftsmodell bemüht sich in Regelschulen und am Bildungsmarkt für Erwachsene um Vermittlung von Wissen und Werten unter Einbeziehung von Lehrkörpern. Es geht primär darum, Menschen aus nicht-österreichischen Herkunftsländern für den Arbeitsmarkt vorzubereiten, kulturelle Vielfalt zu fördern, Frauen in Sachen Diversität zu schulen oder Schüler aus der UNTERSTUFE mit “Nachhilfe” zu versorgen.

Learning Circle für ALLE

Der “Learning Circle” hat sich dem Ziel verschrieben, für ALLE Kinder zugänglich zu sein, die eine zusätzliche Unterstützung suchen – ganz egal, ob sich die Familien diese “Begleitung” leisten können. Jeder Kunde soll nur so viel zahlen, wie er oder sie es sich leisten kann. Das Angebot wird folgendermaßen beschrieben: Lern-Coaches und Schüler*innen (Anm.: mind. vier) arbeiten ein ganzes Semester lang, 90 Minuten wöchentlich über Videocall miteinander. Kinder lernen, was es bedeutet, Ziele zu erreichen und erleben Erfolgsgefühle in allen Lebensbereichen. Eigens geschulte Coaches sollen unter Anleitung von nicht näher genannten Expert:Innen das vollmundige Versprechen erfüllen. Die Ausübenden sind eine tragende Stütze des Social Business Geschäftsmodells.

Learning Circle bietet je nach Einkommen unterschiedliche Preise

Lerneinheiten im Learning Circle finden digital über Whatsapp, Zoom, Google, Teams oder Telefon ein bis dreimal pro Woche statt. | © Isabella Simon

Neben dem JOB erledigt

Eine Matura in der Tasche und eine gehörige Portion Weltverbesserungsdrang gehören zum Rüstung jedes zukünftigen Lern-Coaches – anders lässt sich das Anforderungsprofil schwer interpretieren, mit dem Mitarbeiter für den Tele-Job angeworben werden. Für das 1. Semester als Lern-Coach gibt es eine Aufwandsentschädigung über Euro 230,-, ab dem 2. Semester erhält man pro Schüler*in bis zu Euro 100,- im Monat überwiesen. (Stand Dezember 2022). “Du bindest dich für ein Semester und begleitest in deinem 1. Semester beim Learning Circle 4 Schüler*innen durch die Schule!”, erklärt WIRKT. interessierten Bewerbern auf ihrer Website. Allfällige Zweifel an nichtvorhandenen Fähigkeiten werden zerstreut. Es handelt sich bei dem JOB schließlich nicht um Nachhilfe in einem Fach wie Mathe oder Deutsch, sondern darum, Lernen in allen Bereichen zu fördern und Kinder auf dem Weg in eine selbstwirksame Zukunft zu begleiten, heisst es.

Verdächtig GUT durchdacht

Vorwiegend Kinder mit Migrationshintergrund ohne ausreichende Deutschkenntnisse zu coachen, klingt nach großer Verantwortung, aber keinem großen Geschäft. Wer zahlt also die Gehälter für die drei Geschäftsführer, das 12-köpfige Team und all die Coaches, wenn es die Kund*innen nicht können? WIRKT. wirkt äußerst transparent in seinen Info-Broschüren und macht kein Geheimnis aus ihren Verknüpfungen mit privaten Stiftungen, der Abhängigkeit von Fördergeldern und jenen jungen Mentoren, die als Coaches nicht besonders GUT verdienen und sich der Sache aus Überzeugung anschließen sollen.

Learning Circle bietet je nach Einkommen unterschiedliche Preise an.

Learning Circle bietet je nach Einkommen unterschiedliche Preise an. | © Isabella Simon

Wer hinter den Kulissen WIRKT

Die “wirkt. social innovation GmbH” ist seit 2017 unter folgender Tätigkeitsbeschreibung aktiv: Arbeitsvermittlung; Begleitung des Integrationsprozesses von nach Österreich geflüchteten Menschen (Flüchtlingen) und deren nachhaltige Eingliederung in den österreichischen Arbeitsmarkt. Der Unternehmenszweck soll unmittelbar, insbesondere durch die Bereitstellung von Trainingsprogrammen, durch die Gesellschaft erreichet werden. Das gemeinnützige Unternehmen WIRKT nicht gewinnorientiert und profitiert von zahlreichen Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen.

Kommentar: Die Impact Entrepreneurs aus Österreich wollen Kinder der 5. bis 8. Schulstufe um jeden Preis coachen. Wenn’s sein muss auch vollkommen gratis. Warum wohl? Erst durch eine Teilnahme von sozial bedürftigen Kindern wird die Gemeinnützigkeit der gGmbH begründet. Dennoch heisst es, Kinder aus finanzschwachen Familien würden “mitfinanziert”. Schwer denkbar, dass jene Eltern, die in der Lage sind, den Vollpreis für gelinde € 176 pro Monat zu begleichen, das Unternehmen “Learning Circle” auslasten und finanzieren könnten. Ist es nicht genau umgekehrt? Das große Geld aus diversen EU-Fördertöpfen und heimischen Steuergeldern wird mit “gemeinnützigen” Kundinnen erwirtschaftet. Es stehen 160 Plätze offen – die Kostenrechnung stimmt. Welche Informationen aus den Videogesprächen mit den Kindern in die Reportings von “wirkt.” einfließen und welchen Wert diese Daten für das Social Business haben, bleibt im Dunklen.

(PA/red/key)