Regierung schnürt Corona-Sondergesetze trotz Veto
Der Nationalrat beschließt die vier vom Bundesrat abgelehnten Coronagesetze am Mittwoch ein zweites Mal, womit sie von der Länderkammer nicht mehr blockiert werden können. Mittels Beharrungsbeschluss wurde unter anderem das Epidemiengesetz ein zweites Mal verabschiedet. Ein weiterer Einspruch der Länderkammer ist nun nicht mehr möglich. Am strittigsten war die Novelle zum Epidemiengesetz, der nur ÖVP und Grüne zustimmten. Dabei geht es weniger um die Rahmenbedingungen für im Zuge der Coronakrise vorgesehene Screening-Programme in Österreich. Skeptisch betrachtet wurden von der Opposition ein weiteres Mal die Möglichkeiten, den Zugang zu Veranstaltungen zu regeln. Diese können an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden oder auf bestimmte Personen- und Berufsgruppen eingeschränkt werden.
Oppositionsparteien üben Kritik an Regierung
Die Opposition hielt sich nicht mit Kritik zurück. SPÖ-Klubchefin Pamela Rendi-Wagner bestritt den Auftakt und warf der Regierung „Showpolitik“ vor, die weder Unternehmern helfen würde noch Arbeitslosen einen Job oder Künstlern eine Perspektive brächten. Die bisherigen Hilfen seien zu wenig, kämen zu spät und seien zu bürokratisch. Was die Wirtschaft brauche, seien ein neues Konjunkturpaket und eine Erhöhung der Arbeitslosengelds. Die Ärztin Rendi-Wagner selbst zeigte durch Tagen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Nationalratssitzung, dass man einer lebensbedrohlichen Gefahr ausgesetzt ist. Und Schutzmasken überall tragen muss, bis ein Impfstoff gegen Covid-19 bedingte Erkrankungen entwickelt wurde.
Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker attackierte die Koalition scharf: Diese agiere seit Monaten mit einer Politik der Unsicherheit. Die wahren Gründe für die Novellierung des Epidemiegesetzes seien verdeckt: „Darum misstrauen wir Ihnen.“ Die Behörde habe künftig einen riesengroßen Spielraum – „und dem sind die Bürger ausgeliefert“. Der Zugang zu bestimmten Veranstaltungen könnte willkürlich kontrolliert oder verboten werden, sei eine Gefahr für den Rechtsstaat und demokratische Freiheiten.F
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl formulierte Kritik an der Regierung gewohnt heftig. Widerstand gegen den „Coronawahnsinn“ sei angebracht, so der freiheitliche Fraktionschef, der der Koalition eine “autoritäre Geistesdurchseuchung” bescheinigte und ortet Fantasien zur Zwangsüberwachung der Bevölkerung von Seiten der Regierung. An Vetos durch den Bundesrat werde man sich laut Kickl gewöhnen müssen: „Das ist normal im Gegensatz zu dem Ausnahmezustand, der in Ihren Hirnen herumschwirrt.“
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer erinnerte Kickl daran, dass ihm noch vor kurzem der „Lock-down“ nicht scharf genug gewesen sei. Solche spontanen Sinneswandel seien in einer Krise eben nicht möglich, wenn man in Verantwortung sei. Anschober fürchtete, dass mit der Oppositionsrhetorik das falsche Signal gesetzt werde, dass die Krise schon vorbei sei.
ÖVP-Klubobmann August Wöginger meinte in Richtung Opposition: „Corona findet ja anscheinend nicht statt.“ Österreich sei offenbar unter der Glaskuppel. Dass SPÖ und FPÖ auch die 600.000 Euro für freiwilliges Engagement in der Coronavirus-Krise beeinspruchten, “das verstehe, wer will”. Aus der ÖVP wurde argumentiert, dass sich die Oppositionsparteien nicht mehr weigern sollten, in den so genannten COVAG-Beirat einzutreten. Würden sie hier mitmachen, könne man auch über einen Unterausschuss reden. Die Opposition wiederum beschickt den Beirat nicht, weil sie ihn für zahnlos hält. Stattdessen hat man einen parlamentarischen Unterausschuss beantragt, der gemäß ihren Vorstellungen sehr weit reichende Kompetenzen hätte.
Freiwilliges Engagement wird belohnt
Der zweite zwischenzeitlich blockierte Beschluss, bei dem die Neos mit der Koalition mitgingen, dreht sich um den Anerkennungsfonds für Freiwilliges Engagement. Diesem wird ermöglicht, auch Aktivitäten und Initiativen zu fördern, die zur Bewältigung der Coronakrise geleistet wurden. Dafür werden dem Fonds 600.000 Euro aus dem Krisenbewältigungsfonds zur Verfügung gestellt. Auch noch – mit Unterstützung der Neos – determiniert wurde ein Paket, das Verwaltungsverfahren betrifft und gewisse Einschränkungen beim Parteienverkehr als eine seiner Folgen hat. Zudem wird die Frist zur Bewältigung der Integrationsvereinbarung verlängert.
Geschäfte mit Schutzmasken steuerfrei
Gesetzespaket Nummer drei der Coronagesetze, das zum zweiten Mal nur von ÖVP und Grünen beschlossen wurde, war ein Steuerpaket, das zwischen 13. April und 1. August Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe von Schutzmasken steuerfrei stellt. Ob es zu einem parlamentarischen Unterausschuss zur Begleitung der Coronapakete kommt, bleibt weiter in der Schwebe. Die Opposition brachte am Mittwoch bei der Sondersitzung des Nationalrats geschlossen einen Fristsetzungsantrag ein, der eine Behandlung der entsprechenden Initiative bis 25. Mai sicher stellen sollte. Die Koalition lehnte das ab.
Bundeshaftungen und Garantien
Weiters in der Novelle enthalten ist die Ermächtigung, dem von Europäischen Investitionsbank in der Coronakrise errichteten Garantiefonds 650 Millionen zuzuweisen und Bundeshaftungen in Form von Garantien bis zu einem Betrag von 720 Millionen Euro übernehmen zu können, um das Instrument der Kurzarbeit auf europäischer Ebene zu unterstützen.+
Antonella Mei-Pochtler nicht abberufen
Ebenfalls keine Mehrheit fand ein rot-blauer Entschließungsantrag, der zum Ziel hatte, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Antonella Mei-Pochtler aus allen beratenden und sonstigen Funktionen abberuft. Die Kanzler-Beraterin hatte sich den Unmut der Opposition zugezogen, als sie in einem Interview darüber philosophierte, dass man sich in Europa im Zuge der Coronakrise an Tools gewöhnen werde müssen, die “am Rand des demokratischen Modells” seien und ihre Erwartung geäußert, dass Reisen nur noch mit Corona-App möglich sein würden.
Gegen die Stimmen der FPÖ angenommen wurde hingegen eine Ermächtigung an den Finanzminister, die es ihm ermöglichen soll, einer Gewährung von Corona-Finanzhilfen im Rahmen des sogenannten “Pandemic Crisis Supports” für jedes ESM-Mitgliedsland grundsätzlich zuzustimmen.
Zugeständnisse
Keine Kriterien dürfen bei der Verwendung von Contact-Tracing-Technologien ein “Abstellen auf Corona-Risikogruppen, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, Religion, Weltanschauung und sexuelle Orientierung sein”. Diese Einschränkung hatte die Koalition ja auf Wunsch der Opposition definiert. Dass trotzdem Ablehnung im Nationalrat und das Veto im Bundesrat kam, empörte die Mandatare von ÖVP und Grünen.
(APA/red)