Weitere Hinweise auf Attentäter von Behörden ignoriert

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Freitag eine weitere Ermittlungspanne im Vorfeld des Terroranschlags von Wien eingestanden. Demnach hatte der spätere Attentäter im Sommer Kontakt zu Personen, die im Auftrag des deutschen Verfassungsschutzes vom Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) überwacht wurden. Dennoch wurden damals keine Konsequenzen gezogen. Nehammer sprach von “offensichtlichen und aus unserer Sicht nicht tolerierbaren Fehlern”. Man habe daher “unverzüglich personelle Konsequenzen” gezogen. Auf die Frage nach seiner politischen Verantwortung für die Fehlleistungen sagte Nehammer, er sehe seine Verantwortung darin, zu handeln, wenn ihm Missstände zur Kenntnis gebracht werden.

Nehammer zog Konsequenzen wegen Pannen bei Terrorermittlung

Innenminister Karl Nehammer musste eine weitere Ermittlungspanne eingestehen | © APA/AFP/Klamar

Täter stand unter Beobachtung

Laut Polizeichef Gerhard Pürstl hat sich der spätere Attentäter im Juli mit Personen getroffen, die unter Beobachtung des deutschen Verfassungsschutzes standen und sich in Österreich aufgehalten haben. Diese Tatsache und der später in der Slowakei gescheiterte Waffenkauf hätten laut Pürstl “bei der Einschätzung der Gefährlichkeit des Täters zu einem anderen Ergebnis führen können”. LVT-Leiter Erich Zwettler wurde den Angaben zufolge auf eigenen Wunsch abgezogen. Die interimistische Führung übernimmt der Leiter des steirischen LVT Rupert Meixner.

Unterdessen durchsuchten Ermittler in Deutschland Wohnungen von fünf jungen Männern. Die von den Durchsuchungen betroffenen Männer gelten nicht als tatverdächtig. Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) erklärte, die Durchsuchungsbeschlüsse seien am Donnerstag auf Grundlage von Erkenntnissen verfügt worden, die von der österreichischen Justiz an die deutschen Strafverfolger übermittelt worden seien. Festnahmen habe es nicht gegeben.

Der Anhänger der Terrororganisation “Islamischer Staat” (IS) hatte am Montagabend in Wien vier Menschen getötet und mehr als 20 Menschen zum Teil schwer verletzt, bevor er selbst durch Polizeischüsse starb. Unter den Opfern befindet sich auch eine deutsche Staatsangehörige. Der 20-jährige Attentäter war nach Überzeugung der Ermittler Teil eines radikal-islamistischen Netzwerks, das über Österreich hinausreicht.

Kontakte des Attentäters durchleuchtet

Auch die vier Männer aus Deutschland, die zwischen 19 und 25 Jahre alt sind, rechnen die Ermittler der Islamistenszene zu, wie die Deutsche Presse-Agentur in Karlsruhe erfuhr. Zwei von ihnen kommen aus Osnabrück. Die anderen Durchsuchungen fanden in Kassel sowie im Kreis Pinneberg (Schleswig-Holstein) statt. Auch in Bremen gab es in der Wohnung eines 18-Jährigen eine Durchsuchung. Der Mann habe mit den anderen vier Männern in Kontakt gestanden, so die Polizei. Er habe aber keine direkte Verbindung zu dem Attentäter gehabt.

Handys beschlagnahmt, keine Festnahmen

Bei den Durchsuchungen ging es laut Bundesanwaltschaft und BKA lediglich um die Sicherstellung möglicher Beweismittel. Es seien hauptsächlich Kommunikationsmittel beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet werden müssten. In Bremen wurde etwa ein Datenträger sichergestellt. Der Generalbundesanwalt führt der Mitteilung zufolge im Zusammenhang mit dem Wiener Anschlag vom 2. November ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt.

Zwei Vereine werden geschlossen

Der Attentäter von Wien ist offenbar in zwei Moscheen in der Bundeshauptstadt aktiv gewesen. Dort dürfte er sich auch radikalisiert haben. Eine davon unterstand der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), wie Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) am Freitag berichtete. Sie wurde auf Grundlage des Islamgesetzes geschlossen. Eine weitere – von der IGGÖ unabhängige – Einrichtung wird auf Grundlage des Vereinsgesetzes aufgelöst.

An die IGGÖ seien Informationen herangetragen worden, wonach eine bei ihr registrierte Moscheegemeinde gegen Glaubenslehre und Verfassung sowie das Islamgesetz von 2015 verstoße, gab die IGGÖ bekannt. Um mögliche Gefahr in Verzug abzuwenden, habe man unmittelbar die Rechtspersönlichkeit dieser Moscheegemeinde aufgehoben und dies dem Kultusamt mitgeteilt.

Raab betonte, dass die Schließung der beiden Moscheen kein Angriff auf den Islam sei.

(APA/red)